Gut in Schwung

Der Golfsport ist in Österreich und Deutschland als Wirtschaftsfaktor sowie als Freizeitbeschäftigung fest verankert – erst recht in Zeiten der Pandemie. 

Die vergangenen zwei Jahre hatten für den europäischen Golfmarkt, nicht nur in Deutschland und Österreich, einige „Überraschungen“ parat. Zunächst gab es im Frühjahr 2020 und später im Herbst den Schock über behördliche Schließungen der Golfplätze infolge der Corona-Pandemie zu verdauen. Nach der Wiedereröffnung der Golfplätze, als erste Freizeitanlagen überhaupt, verzeichneten Golfclubs und Anlagenbetreiber in vielen Ländern eine Welle des Zustroms neuer und wiederkehrender Golfer. Auch in Deutschland und Öster­reich ist der Golfmarkt nach Jahren der Stagnation als Folge der Corona-Pandemie wieder in Schwung geraten. Wie ein Blick in die Jahresberichte der Golfverbände und eine Analyse des Golfmarkts im Auftrag der Sommerfeld AG von Falk Billion zeigen. 

Deutsche Einheit

In Deutschland haben noch nie so viele Menschen Golf gespielt­ wie 2021. In Zahlen ausgedrückt liest sich das so: Die Zahl der organisierten Golfspieler in Deutschland beläuft sich zum Jahreswechsel 2021/2022 auf 673.983. Das bedeutet ein Plus von 3,5 Prozent (2020: 1,4 Prozent) gegenüber dem Vorjahr bzw. einen Zuwachs von 22.566 registrierten Mitgliedschaften in den Golfclubs. Immerhin der größte Zuwachs seit dem Jahr 2009, damals mit einem Plus von 4,2 Prozent. Der Bayerische Golfverband registrierte 2021 mit +4.456 Golfern das höchste Wachstum. Abnehmende Zahlen gab es 2021 allein im LGV Mecklenburg-Vorpommern. 

Die Zahl der Frauen nahm in Deutschland im Jahr 2021 gegenüber dem Vorjahr um 6.764 (+2,87 Prozent) zu. Die Zahl der männlichen Golfer stieg gleichzeitig um 15.802 (+3,80 Prozent). Aufgrund des proportional höheren Zuwachses bei den Männern sank der Frauen-Anteil im Jahr 2021 auf einen Tiefststand von nur noch 35,9 Prozent. 1993 lag der Frauen-Anteil noch bei 42,2 Prozent. Die zahlenmäßig größten Zuwächse gab es 2021 in den beiden Altersgruppen von 56 bis 60 Jahren (+5.202) sowie ab 61 Jahren (+10.026). In der Altersgruppe von 41 bis 55 Jahren nahm die Zahl hingegen ab (–2.859). Der prozentuale Anteil der über 60-jährigen Golfer hat sich somit in den letzten zehn Jahren von 35,7 Prozent (2012) inzwischen bis auf 42,3 Prozent (2021) erhöht.

Rot-weiß-rote Grüns

In Österreich konnte im ersten Pandemie-Jahr ein Plus von 7,78 Prozent gegenüber dem Vorjahr verzeichnet werden. 2021 steht ein Plus von 4,95 Prozent zu Buche (+5.432). Die Zahl der registrierten Golfer in Österreich liegt somit aktuell bei 115.062 Mitgliedern. Ein positiver Trend zeigt sich auch an der steigenden Anzahl an Turnierrunden, die jedes Jahr gespielt werden. Nicht nur im Rahmen der beiden vom Österreichischen Golf-Verband veranstalteten Turnierserien, der Austrian Amateur Open (2021: 200 Turniere) und der Makita Afterwork 9 (2021: 687 Turniere). Insgesamt wurden 2020 und 2021 über das Service auf der ÖGV-Homepage golf.at 430.728 Turnierbuchungen vorgenommen – 2018 lag die Zahl noch bei 176.869 Turnierbuchungen. Vorgabewirksam wurden in den Golfclubs 9.015 18-Loch-Turniere und eine weiter stark ansteigende Anzahl von 4.855 9-Loch-Turnieren veranstaltet.

Während der Pandemie hat aber nicht nur die Zahl der organisierten Golfer zugenommen. Auch zahlreiche clubfreie Spieler gehen verstärkt dem Golfsport nach. Laut einer repräsentativen Online-Erhebung des DGV haben 1,533 Millionen Golfer in Deutschland keine DGV-registrierte Mitgliedschaft auf einer­ deutschen Golfanlage, fast 580.000 Personen mehr als bei der letzten Befragung 2016. 

Kostenexplosion

Zugleich müssen die Golfanlagen aber die deutlich gestiegenen operativen Kosten verkraften. Denn neben der im zweiten Halbjahr 2021 gestiegenen Inflation nahm der Kos­tendruck auf Golfanlagen in den letzten fünf Jahren von November 2016 bis November 2021 in etlichen relevanten betrieblichen Bereichen überproportional zu, wobei die verschiedenen Kostenpositionen unterschiedliche Entwicklungen nahmen. Zum Beispiel sind die Preise für Diesel um 40 Prozent, für Düngemittel um 36 Prozent und für Sand um 27 Prozent gestiegen. Die Arbeitskosten gingen um 29 Prozent in die Höhe. Die jüngste Kostenexplosion durch Russlands Invasion in der Ukraine ist da noch gar nicht eingerechnet. Eine Kostensenkung ist wiederum nicht ohne Qualitätsverlust möglich. 

Der Kostenexplosion zum Trotz brauchen Golfanlagen neue Impulse.

Zudem wachsen die vielfältigen Anforderungen an eine moderne Golfanlage. Für eine Renovierung und/oder einen Umbau der wichtigsten Spielelemente sowie die Modernisierung des Wassermanagements fehlen aber zumeist die Mittel. In den Vordergrund tritt auch zunehmend der Nachhaltigkeitsgedanke. Langfristig geht es beim Thema „Erneuerung“ auch um eine klimaneutrale Gestaltung und Bewirtschaftung. Zugleich sehen sich Golfanlagen in einer Phase vielfältiger Umbrüche und angesichts fortschreitender Digitalisierung aller Lebensbereiche mit weiteren Herausforderungen konfrontiert.

Interview

Zur Seite stehen den 720 Golfanlagen in Deutschland und 158 in Österreich in dieser intensiven Zeit auch die nationalen Golfverbände. Wie sehen sie die aktuelle Situation? Welche Ziele und Pläne haben sie im Jahr 2022? Die Golf Week hat zu Saisonbeginn DGV-Präsident Claus M. Kobold und ÖGV-Generalsekretär Robert Fiegl zum Interview gebeten. 

Golf Week: Wie lautet das Resümee der letzten zwei Jahre, die durch die Pandemie geprägt waren?
Claus M. Kobold: Die letzten beiden Jahre liefen deutlich besser. Natürlich wünschen wir uns, dass es so weitergeht. Eine Garantie gibt es nicht. Gerade der Krieg in der Ukraine und die Folgen für die Wirtschaft können sich noch dramatisch auswirken. Da wir das als Golfsport nicht beeinflussen können, müssen wir uns auf unsere Kernkompetenzen konzentrieren. Ein gutes Produkt anbieten und für zufriedene Golfende sorgen. Dem Verband ist es mit zunehmender Dauer immer besser gelungen, auch der Politik klarzumachen, dass Golf eine Individualsportart im Freien ist mit eingebautem Sicherheitsabstand. Dass das auch bei den Golfinteressierten immer besser angekommen ist und so möglicherweise die Zuwachsraten zu erklären sind.

DGV-Präsident Claus M. Kobold.

Peter Enzinger: Natürlich waren die letzten beiden Jahre geprägt von neuen Problemstellungen, kurzfristigen Änderungen und erhöhtem Organisationsaufwand in den Clubs. Insgesamt hat sich der Golfmarkt Öster­reich jedoch sehr positiv durch die noch laufende Pandemie bewegt und Golfenden auf österreichischen Anlagen immer ein hohes Maß an Sicherheit geboten. Die in dieser Zeit an den Tag gelegte Professionalität der handelnden Personen und die gute Positionierung des Sports im gesellschaftlichen Ansehen haben den stärksten Zuwachs an Mitgliederzahlen seit über zehn Jahren gebracht, somit wurde die schwierige Zeit bestmöglich genutzt.

ÖGV-Präsident Peter Enzinger.

GW: Wie lauten die Verbandsziele für 2022? 
Kobold: Nach dem überragenden Mitgliederzuwachs, übrigens auch wieder in den ersten Monaten dieses Jahres, müssen viele Golfanbieter zusehen, überhaupt ausreichend Spielkapazitäten zur Verfügung stellen zu können und all die, die wir jetzt gewonnen haben, auch langfristig im Golfsport zu halten. Mitgliederbindung ist da das Stichwort. Der DGV ­unterstützt zum Beispiel mit der Umfragesoftware Players 1st, die den Mitgliedern vergünstigt angeboten wird. 

Wir waren und sind die Nation mit dem höchsten Frauenanteil und wollen dieses Niveau zumindest halten, wenn nicht ausbauen. Um das zu unterstützen, wird der DGV zum Beispiel den Anteil der Berichterstattung zum Frauengolf auf golf.de weiter ausbauen. Seit Beginn des Jahres werden dort zum Beispiel Turniere der Ladies European Tour live übertragen. Insgesamt sollen es mehr als zwanzig Livesendungen werden. Rein sportlich betrachtet, haben die deutschen Damen ja sowieso schon den Herren ein wenig den Rang abgelaufen. Zurzeit spielen deutlich mehr Damen als Herren in der absoluten Weltspitze. Deshalb hat sich der DGV auch darum bemüht, wieder ein Turnier der Ladies European Tour nach Deutschland zu holen. Vom 30. Juni bis zum 3. Juli findet das Amundi German Masters statt. 

Enzinger: Die Aufgaben des Verbandes sind naturgemäß sehr vielschichtig. Zum einen wird versucht, mit attraktiven Kampagnen neue Menschen aus allen Lebenssituationen in den Golfsport zu bringen und langfristig in den österreichischen Clubs zu verankern. Aus sportlicher Sicht liegt ein starker Fokus auf der Betreuung und Entwicklung junger Talente und der Erreichung sportlicher Erfolge auf nationaler und internationaler Ebene. Ein besonderes Augenmerk liegt allerdings auf den für Clubs wie Golfer und Golferinnen angebotenen Services, weshalb die Weiterentwicklung der digitalen Plattformen forciert wird und alle Stakeholder in der digitalen Welt des ÖGV nützliche und attraktive Tools vorfinden. 

GW: Ein spannendes Thema ist die fortschreitende Digitalisierung im Golfsport. Wie läuft der Fortschritt, ist der Golfsport bereits im digitalen Zeitalter angekommen?
Kobold: Das kann man wohl sagen. Der Digitalisierungsprozess im DGV und in den Clubs nimmt zusehend Fahrt auf. Ein Prozess, der vor mehr als 25 Jahren mit dem Launch der ersten golf.de zumindest auch nach außen hin begonnen hat, gewinnt immer größere Bedeutung für die gesamte Arbeit des Verbandes und seiner Mitglieder. Seit langem sind alle 730 Golfanlagen über das Intranet miteinander vernetzt. So stellt der Verband seine Serviceleis­tungen im Serviceportal zur Verfügung. Und denken wir nur an den digitalen Mitgliedsausweis für die Golfenden. Dieser wird immer mehr aktiv genutzt und erfährt eine kontinuierliche Aufwertung durch ergänzende Serviceangebote, zum Beispiel den Abruf der persönlichen Handicapdaten, oder das digitale Haftpflichtversicherungs­angebot des Verbandes, um nur zwei zu nennen.

Enzinger: Die Digitalisierung ist im Golfsport längst angekommen und wird in vielen Bereichen weiterhin Vorteile für Clubs und Golfende mit sich bringen. Auch aus Verbandssicht wird versucht, Clubs in dieser Entwicklung bestmöglich zu unterstützen und – wo möglich und sinnvoll – zentrale Services für die Abwicklung der täglichen Aufgaben anzubieten. Auch die Produkte für Golfende sollen laufend verbessert und erweitert werden, besonders die Einführung der Electronic Scorecard wird die Abwicklung von registrierten Privatrunden und Turnieren immer mehr digitalisieren. Die Plattformen sollen für Anwender immer mehr zum One-Stop-Shop werden, einen eindeutigen Mehrwert bieten und die Community enger zusammenbringen.

Der Golfsport ist eine corona-taugliche Möglichkeit der Freizeitgestaltung.

GW: Der ÖGV veranstaltet für den Breitensport zwei erfolgreiche Turnierserien mit österreichweiten Ranglisten und attraktiven Finals. Gibt es seitens des DGV ebenfalls Pläne in diese Richtung?
Kobold: Der DGV selbst hat aktuell keine Turnierserie für den Breitensport geplant. Da gibt es auf dem Markt verschiedene attraktive Angebote, die teilweise sehr unterschiedlich sind. Damit steht eine vielfältige Auswahl an Spielmöglichkeiten bundesweit zur Verfügung. Eine Verbandsaufgabe sehen wir dort aktuell nicht.

GW: Der DGV bietet gemeinsam mit einem Versicherungspartner ein neues Haftpflichtschutz-Modell an. Gibt es seitens des ÖGV ebenfalls Pläne in diese Richtung?
Enzinger: Dieses Thema wurde auch aufseiten des ÖGV evaluiert, ­allerdings sehen wir aktuell keinen großen Mehrwert für österreichische Golfer. Ein Großteil der Schadensfälle in österreichischen Golfanlagen ist ohnehin entweder durch die Versicherung der Golfclubs oder die eigene Haushaltshaftpflicht der Golfenden gedeckt. Eine weitreichende Deckung mit geringem Selbstbehalt pro Schadensfall wäre mit vergleichsweise hohen Prämien verbunden, diese für alle österreichischen Golfenden zu übernehmen ist aktuell nicht geplant.

GW: Seit Saisonbeginn 2021 kommt der neue World Handicap Index zum Einsatz. Ist im ersten Jahr bereits alles reibungslos gelaufen, und hat das neue System auch die versprochenen Vorteile gebracht? 
Kobold: Ein einziges Handicap-System weltweit war ein Versprechen, aber im ersten Jahr auch eine Last zugleich. Einen wirklich „reibungslosen Start“ konnte es gar nicht geben, da wir ein Jahrzehnte praktiziertes und fest in den Köpfen aller Beteiligten verankertes System schlicht abgeschaltet haben bzw. abschalten „mussten“. Also alles neu auf 730 Golfanlagen und bei über 600.000 Golfspielerinnen und -spielern in Deutschland.
In einem weltumspannenden System nun in Deutschland HCPI auch zentral zu berechnen, wie in vielen Ländern schon zuvor, war überfällig, hat aber den Start holprig gemacht. Die eigentlich neue Art der HCPI-Berechnung hingegen wurde von Woche zu Woche stärker akzeptiert, wenn es beim Drübernachdenken mehr und mehr klick gemacht hat. „8 aus 20“ als Grundprinzip ist bestechend, weil es kein mühseliges Weiterrechnen von einem vorherigen Handicap in Einer- oder Zweierschritten rauf oder runter ist. Wenn ich aktiver Golfer bin, dann ist mein HCPI nun viel näher dran an der aktuellen Spielstärke, und das sorgt für mehr Spaß. Also alles in Allem: Freuen wir uns auf das zweite Jahr und gehen wir, weil das anfängliche „Umrechnungsspektakel altes Hcp. in neuen HCPI“ nun weiter zurückliegt, davon aus, dass das System weiter an Akzeptanz gewinnt.

Enzinger: Natürlich war es für die Clubs und Golferinnen und Golfer eine große Umstellung – das System bringt bei allen Vorteilen auch einige Tücken in der Berechnung mit sich. Es wurde allerdings gut kommuniziert, und die Clubverantwortlichen wurden bestmöglich informiert. Im zweiten Jahr gibt es daher kaum noch Fragen, und der WHI ist sehr schnell in unser aller Golfleben eingezogen.

Medianachweis: Sportcom/Getty Images

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